Das überwiegend muskulär geführte Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des Menschen. Sein Nachteil ist es, dass es hierdurch besonders anfällig für Verletzungen und Erkrankungen ist.
Im eigentlichen Sinne setzt sich der Überbegriff des Schultergelenkes aus mehreren Gelenken zusammen. Das eigentliche Schultergelenk (Gleno-Humeral-Gelenk) setzt sich aus dem Oberarmkopf (Humerus) und der Gelenkpfanne (Glenoid) zusammen. Zwischen Oberarmknochen und Schulterdach (Acromion) verlaufen die Sehnen der Rotatorenmanschetten-Muskulatur (M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. subscapularis).
Häufig kommt es im Laufe der Zeit zu einem langsamen Verschleiß der Sehnen mit Auffaserungen und Teilrupturen der Sehnen. Der Schleimbeutel (Bursa) zwischen den Sehnen und dem Schulterdach entzündet sich (Bursitis subacromialis) und der subacromiale Raum wird dadurch eingeengt. Der schmerzhafte Prozess nimmt seinen Lauf und sollte bereits initial behandelt werden, bevor es zu kompletten Rupturen der Sehnen kommt.
Ein weiteres und sehr kleines, aber wichtiges Gelenk bildet das sog. Schultereckgelenk (Acromio-Clavicular-Gelenk). Es wird vom Schulterdach (Acromion) und dem äußeren Ende des Schlüsselbeins (Clavicula) gebildet. Man spricht vom sog. „AC-Gelenk“. Dieses Gelenk bildet die einzige knöcherne Verbindung des Schultergelenks zum Rumpf und Brustkorb. Kräftige Bänder halten und stabilisieren dieses Gelenk. Besonders anfällig ist es daher, wenn es zu Stürzen mit ausgestrecktem Arm (z.B. Mountainbike-Sturz) oder zu einem kräftigen Anpralltrauma (z.B. Bodycheck im Eishockey) kommt. Die sog. Schultereckgelenksprengung (ACG-Luxation) ist oftmals Folge hieraus. Hier kommt es zu Rupturen der Bänder.
Das subacromiale Engpass-Syndrom oder auch Impingement-Syndrom entsteht durch die Einengung des Raumes unter dem Schulterdach (Subacromialraum). Kalk und/oder Verschleiß der Sehnen, Verdickung eines Bandes (coracoacromiales Band /“CA-Band“), knöcherne Spornbildungen, Schleimbeutelentzündungen (Bursitis subacromialis - subcoracoidea), Zustand nach Frakturen, etc. können Ursache sein und sollten bereits initial behandelt werden, bevor es zur Chronifizierung des Schmerzes oder gar zu Rupturen der Sehnen kommt.
Die Schmerzen treten oftmals nachts auf (Liegen auf der Schulter nicht möglich) und bei Belastung, wenn versucht wird den ausgestreckten Arm aktiv anzuheben. Ein schmerzbedingter Kraftverlust kann die Folge sein. Durch eine abgestimmte Diagnostik kann die Ursache meist leicht gefunden werden.
Bereits die zahlreichen klinischen Testuntersuchungen führen zur Verdachtsdiagnose. Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie), ein Röntgenbild und ggfs. die Kernpintomographie führen meist sicher zur Aufklärung der Ursache.
Die Therapie richtet sich nach der Ursache und ist meistens konservativ. Initial kommen schmerz-entzündungshemmende Medikamente, körperliche Schonung und Physiotherapie zum Einsatz. Langfristiges Ziel ist es die Rotatorenmanschette zu kräftigen und dabei den Oberarmkopf zu Kaudalisieren, also wieder ins Zentrum der Gelenkpfanne zu bekommen.
Im Einzelfall kann eine Spritze mit einem Gemisch aus einem Cortisonpräparat und einem Lokalanästhetikum beim sehr schmerzgeplagten Patienten eine Linderung erbringen. Von regelmäßigen Spritzen („Cortisoninfiltrationen“) sollte abgesehen werden, da potentiell immer ein Infektrisiko besteht und die weitere Schädigung der Sehnen der Rotatorenmanschette droht.
Beim therapierefraktären Impingement-Syndrom empfehlen wir die arthroskopische subacromiale Dekompression (ASAD). Dieses mimimal-invasive operative Verfahren mit ca. 2-3 kleinen Hautschnitten (ca. 1cm) ist eine sehr risikoarme Operation, bei der der entzündete Schleimbeutel entfernt wird, ggfs. Knochensporne abgetragen und geglättet werden. Die Arthrose des Schultereck-Gelenkes kann in gleicher Sitzung mitbehandelt werden (Arthroskopische Resektion AC-Gelenk / ARAC). Eine Ruptur der Sehne kann hierbei, falls erforderlich gleichzeitig mit einer Naht mitbehandelt werden, die Nachbehandlung ist jedoch dann zurückhaltender.
Eine Schonung über 4-6 Wochen ist zu empfehlen, ein Schulterabduktionskissen zur Entlastung des Gelenkes kann ebenfalls optional getragen werden. Mit einer Ausheilung ist in ca. 8-12 Wochen zu rechnen. Die Prognose ist gut. Eine aggressive Nachbehandlung sollte unbedingt vermieden werden. Ein spezielles Nachbehandlungsschema bekommt jeder Patient ausgehändigt.
Die Kalkschulter betrifft überwiegend Patienten zwischen dem 30- und 50. Lebensjahr. Die Ursache ist letztlich unbekannt. Die Patienten klagen im Akutstadium über sehr ausgeprägte nächtliche Schmerzen. Dies kann durchaus auch ein Zeichen der Auflösung des Kalkes im Sehnengewebe sein. Ein Röntgenbild führt zur Diagnose und Stadieneinteilung. Die Therapie richtet sich nach dem Stadium der Verkalkung und der Schmerzdauer.
Siehe Impingement-Syndrom - zusätzlich kann durch die sog. Extrakorporale Stosswellentherapie versucht werden, den Kalk zum Auflösen zu bringen. Erfolgsraten zwischen 30-70% sind sehr schwankend angegeben. Das Akutstadium sollte in jedem Fall abgewartet werden, da es immer wieder zu spontanen Auflösungen des Kalkherdes kommen kann.
Falls über Monate oder gar Jahre die Symptome persistieren, empfehlen wir die arthroskopische Entfernung des Kalkes aus der Sehne. Dieses Verfahren kann über 2 kleine Einstichstellen erfolgen. Hierbei wird der Kalk aus der Sehne herausgelöst. Zum Teil muss auf eine komplette Kalkentfernung verzichtet werden, damit die Sehne nicht weiter geschädigt wir. Der Restkalk löst sich im weiteren Verlauf in aller Regel auf. Das Operationsrisiko ist auch hierbei sehr gering. Die Prognose ist mit 80-90% als gut anzusehen, allerdings kann unter Umständen der Heilungsprozess mehrere Monate betragen. Auch hier sollte die Nachbehandlung sehr schonend sein.
Prinzipiell unterscheiden wir eine primäre Schultersteife, die initial mit einer schmerzhaften Entzündung der Gelenkkapsel (adhäsive Kapsulitis) beginnt und später in eine Schultersteife übergeht („Frozen shoulder“) von der sekundären Schultersteife, welche durch eine bekannte Ursache (Unfall-Erkrankung etc.) entsteht.
Ohne erkennbare Ursache kommt es zunächst zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, meist beginnend mit der Einschränkung der Außenrotation, gefolgt von der Seitabhebung (Abduktion) und der Flexion (Anhebung nach vorn). Der Verlauf ist Stadienhaft mit Schmerz-Steife-Besserung und hat eine hohe Spontanheilungsrate, allerdings kann dies bis zu 3 Jahre dauern!Oftmals ist es eine „Geduldsfrage“, die die Patienten zum Teil an der Erkrankung „verzweifeln“ lassen, trotz der Gewissheit der recht guten Prognose.
Ein Zustand nach Schultertrauma, Operationen, Luxationen oder systemischen Grunderkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus oder Schilddrüsenerkrankungen können die Ursache dieser Form der Schultersteife sein. Grundsätzlich gilt es zunächst die bekannte Ursache zu therapieren.
Mobilisierende passive Übungen im schmerzfreien Bereich stellen die erste Grundlage der Therapie. Intraartikuläre Injektionen von Cortisonpräparaten können hier hilfreich sein, ebenfalls auch die medikamentöse Gabe von diesen Präparaten im sog. Cortison-Stufen-Therapie-Schema über 4-6 Wochen. Cortison ist den entzündungshemmenden Medikamenten wie z.B. Diclofenac oder Ibuprofen etc. überlegen.
Bei persistierender schmerzhafter Bewegungseinschränkung im Verlauf, trotz erfolgter konservativer Therapie, ist die arthroskopische Arthrolyse das Mittel der Wahl. Hier werden, ebenfalls minimal-invasiv über kleine Zugänge, die Kapselverwachsungen nahe an der Gelenkpfanne gelöst und das entzündete Gewebe entfernt. Der lange Therapieverlauf kann durch dieses Verfahren erheblich abgekürzt werden und die Endresultate zeigen deutlich bessere Ergebnisse.
Bereits in der Narkose erfolgt die sanfte Mobilisierung des Gelenkes, welche am 1. Tag nach der Operation passiv unterstützt fortgesetzt werden sollte. Wir empfehlen bei allen Schulteroperationen in der Nachbehandlung die Verwendung eines Motorstuhls. Hier kann das Schultergelenk passiv schmerzarm durchbewegt werden. Eine tägliche mehrfache Anwendung ist empfohlen.
Die Rotatorenmanschette setzt sich aus 3 Hauptsehnen zusammen, welche den Oberarmkopf überdecken und für die kraftvolle Bewegung des Schultergelenkes verantwortlich sind.
Die Teil- oder Komplett-Rupturen der Sehnen der Rotatorenmanschette zeigen sich verstärkt im zunehmenden Alter und entstehen meistens schleichend. Ein Bagatell-Trauma oder eine Überlastung kann Ursache für das Auslösen der Schmerzen sein. Diese zeigen sich v.a. bei Abspreizbewegungen des ausgestreckten Armes oder bei Überkopfarbeiten. Zu beachten ist, dass eine Teilruptur der Sehne unter Umständen stärkere Schmerzen verursachen kann, als eine komplette Sehnenruptur. Betroffen ist meistens die Supraspinatussehne (>80%). Auch Unfälle mit ausgestrecktem Arm oder Schulterluxationen können zur Ruptur führen. Hier ist oftmals die Subscapularissehne betroffen. Die Diagnostik umfasst die klinische Untersuchung, in welcher sich bereits erkennen lässt, welche Sehne der Rotatorenmanschette betroffen ist.
Das Röntgen zeigt uns den Schweregrad der Arthrose und mit der Sonographie kann z.B. eine begleitende Instabilität der langen Bicepssehne erkannt werden. Kleine Partialrupturen können zunächst konservativ behandelt werden. Bei deutlichem Kraftverlust empfehlen wir in jedem Fall die Durchführung einer Kernspintomographie. Nur hiermit kann eine exakte Aussage über die Defektgröße, Lokalisation und v.a. über die Sehnenqualität gemacht werden. Dies ist für die weitere Therapie von entscheidender Bedeutung.
Eine komplette Ruptur ist nicht der komplette Abriss des Muskels, sondern beschreibt eine Ruptur, die komplett durchgängig vom Gelenk (articularseitig) bis zum Schulterdach (bursaseitig) ist. Somit kann eine komplette kleine Ruptur eines Sehnenanteils unter Umständen wesentlich weniger Probleme bereiten als eine großflächige Teilruptur der Sehne!
Beim Älteren und weniger aktiven Patienten können kleine komplette oder kleine Teilrupturen der Sehne oftmals konservativ behandelt werden. Die körperliche Schonung mit Vermeidung der schmerzauslösenden Bewegung und zentrierende Übungen, z.B. mit Therabändern zur Kaudalisierung und Zentrierung des Oberarmkopfes, werden empfohlen. Entzündungshemmende Medikamente oder Infiltrationen sind lediglich im Akutstadium empfehlenswert. Als Dauerlösung aufgrund der bekannten Nebenwirkungen auf die Magenschleimhaut (NSAR) oder die Sehnenqualität (Cortison) sind diese jedoch nicht zu empfehlen. Ein spezielles Übungsprogramm kann jedem Patienten individuell erstellt werden.
Handelt es sich beim dem Sehnendefekt um eine komplette Ruptur oder größere Partialruptur ohne Besserung auf die konservative Therapie, wird die arthroskopische Sehnennahtrekonstruktion mit Fadenankern empfohlen. Die Indikation sollte v.a. beim jüngeren oder aktiven Patienten und frischen Verletzungen frühzeitig gestellt werden, um das selbstständige Zurückziehen der Sehne (Retraktion) zu vermeiden. Selten muss die Operation offen durchgeführt werden. Sollte sich in der MRT (Kernspintomographie) zeigen, dass eine Naht aufgrund der Sehnenqualität oder Retraktion nicht mehr möglich ist, kann ein einfaches Debridement, eine Schleimbeutelentfernung und eine knöcherne Glättung des Oberarmkopfes Schmerzlinderung erbringen. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass bei einer zu spät einsetzenden operativen Therapie, ggfs. die Sehne nicht mehr genäht werden kann und dadurch der Kraftverlust nicht mehr ausgeglichen werden kann. Aufwendige Muskel-Transfer-Operationen oder der Einsatz einer speziellen Schulterendoprothese (inverses künstliches Gelenk) können dann in Einzelfällen noch eine alternative Therapiemöglichkeit darstellen.
Die postoperative Nachbehandlung nach Sehnenrekonstruktion ist elementar und folgt einem speziell auf den Patienten ausgerichteten Nachbehandlungsschema. Das Schultergelenk muss v.a. in den ersten 4 Wochen vor zu viel aktiver Bewegung geschützt werden. Das Tragen eines Schulterabduktionskissens ist über 4 Wochen Pflicht. Anschließend kann das Kissen je nach Rupturgröße abgelegt werden. Die Beweglichkeit sollte initial in diesen Wochen ausschließlich passiv-unterstützend sein durch Physiotherapie- mit Motorstuhl oder mit Hilfe des anderen Armes auch passiv selbstständig. Die Bewegung im Ellenbogen ist erlaubt und erleichtert den Alltag dadurch erheblich. Umso vorsichtiger und professioneller die Schulter beübt wird, umso besser wird das langfristige Ergebnis. Aggressives Beüben und Krafttraining kann zu Rerupturen und zur Schultersteife führen.
Die Ausrenkung oder Auskugelung der Schulter beschreibt, dass der Oberarmkopf über die Gelenkpfanne rutscht. Hierbei kommt es meist zum Abriss der knorpeligen „Leitplanke“ (Labrum, welche die Gelenkpfanne umgibt. Auch eine Verletzung der Kapsel, der langen Bicepssehne oder gar eine Fraktur der Gelenkpfanne kommen vor und müssen erkannt werden.
Die meisten Luxationen entstehen traumatisch durch einen Unfall mit ausgestrecktem Arm im Alter zwischen 15- 30 Jahren. Die Schulter luxiert in ca. 95% nach vorne und unten. Im zunehmenden Alter nimmt die Häufigkeit ab, aber das Risiko einer begleitenden Sehnenverletzung bei Luxation steigt im Alter. Das ist der Grund, warum z.B. Patienten (>50Jahre) mit einer Schulterluxation und einem Sehnenriss der Rotatorenmanschette eine Sehnenrekonstruktion benötigen während bei jüngeren Patienten lediglich eine Stabilisierung ausreichend sein kann.
Je jünger die Patienten bei der ersten Luxation sind, umso höher ist das Risiko der Reluxation. Die zeitnahe Reposition und eine radiologische Kontrolle vor und nach Reposition sind erforderlich. Eine traumatisch bedingte rezidivierende Luxation oder eine verbleibende Instabilität mit Luxationsangst sollte operativ stabilisiert werden.Besteht eine anlagebedingte Instabilität oder Luxation durch einen zu lockeren Bandapparat mit weiter Gelenkkapsel (Hyperlaxität) ohne Trauma, sollte auf jeden Fall die konservative Therapie mit muskelstabilisierenden Übungen durchgeführt werden. Manche Menschen könne durch diese Hyperlaxität die Schulter willkürlich auskugeln (z.B. „Schlangenmenschen“). Eine Operation ist hier extrem selten indiziert.
In der Akutphase nach Luxation wird die Schulter zunächst in einem Schulterkissen stabilisiert. Nach ca. 10 Tagen Beginn mit passiv-assistiven Aufdehnungsübungen. 3-4 Wochen nach Luxation aktiv-stabilisierende Übungen. Das Ziel ist ein stabilisierendes Muskeltraining im kurzen Hebelarm über Monate. So kann die Schulter optimal zentriert beübt werden.
Beim jüngeren aktiven Patienten mit einem Labrumabriss oder Patienten mit rezidivierenden Luxationen bzw. einem Instabilitätsgefühl empfehlen wir die arthroskopische Schulterstabilisierung. Das Labrum kann hierbei mit 3 kleinen Stichinzisionen mit knotenlosen Fadenankern wieder stabilisiert werden. Wir führen diesen Eingriff in Seitlagerung des Patienten durch, hierdurch haben wir eine optimale Übersicht über das Gelenk, sowohl bei der vorderen als auch bei der seltenen hinteren Schulterstabilisierung. Begleitpathologie an der langen Bicepssehne (sog. SLAP-Läsionen) können in der gleichen Operation mitbehandelt werden. Die postoperativen Ergebnisse sind mit einer Erfolgsrate von über 90% sehr gut. Kommt es bei einer Luxation zu einer Fraktur der knöchernen Gelenkpfanne muss ggfs. frühzeitig diese Fraktur wieder verschraubt werden. Offene und arthroskopische Verfahren, je nach Frakturgröße kommen hier zum Einsatz.