Kardiologie

Esslinger Mutmachgeschichten
Herzen retten

Ja, es ist ernst: „Unbehandelt kann eine schwere Herzerkrankung zum Tod führen“, sagt Privatdozent (PD) Dr. Martin Arnold ganz offen. Der neue Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Klinikum Esslingen macht gleichzeitig Mut: „Mit modernen Verfahren und viel Expertise können wir vielen Patientinnen und Patienten nicht nur ein Überleben, sondern auch ein nahezu normales Leben ermöglichen.“ Zwei Betroffene berichten.

„Ich habe ein Riesenglück, dass die Medizin sowas kann“, sagt Margot D. Die 73-Jährige kommt gerade aus dem Freibad. Dort zieht sie regelmäßig ihre Bahnen. Auch sonst führt sie ein aktives Leben. Möglich ist das, weil Ärztinnen und Ärzte im Klinikum Esslingen zwei ihrer Herzklappen repariert haben.

Aortenklappe, Mitralklappe, Trikuspidalklappe, Pulmonalklappe. Jeder Mensch hat vier Herzklappen. Sie sorgen mit dafür, dass unser Blutkreislauf „rund läuft“. Damit alle unsere Organe mit Sauerstoff und Energie versorgt werden, pumpt der Herzmuskel ständig Blut durch den Körper. Sauerstoffreiches Blut fließt von der linken Herzhälfte in die Arterien. Sauerstoffarmes Blut wird über die Venen zurück in die rechte Herzhälfte transportiert. Von dort aus strömt es weiter in die Lunge, wo es wieder mit „Frischluft“ angereichert wird. Die Herzklappen sind in diesem Kreislauf die Ventile. Sie gewährleisten, dass das Blut in die richtige Richtung strömt.

 

Defektes Ventil

Ist eines der Ventile defekt, kann das schwerwiegende Folgen haben. „Man unterscheidet zwei Arten von Herzklappenfehlern. Sie können einzeln oder in Kombination auftreten“, erklärt PD Dr. Martin Arnold, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Klinikum Esslingen. „Eine Verengung oder Stenose führt dazu, dass das Blut sich vor der Klappe staut. Bei einer Klappeninsuffizienz dagegen schließt die Klappe nicht mehr richtig, Blut fließt in die falsche Richtung.“ Um den Fehler auszugleichen, muss der Herzmuskel stärker arbeiten – eine Überlastung, die auf Dauer zu einer Herzschwäche und unbehandelt zum Herzversagen führen kann.

Margot D. fällt im Coronasommer 2020 erstmals auf, dass etwas nicht stimmt: „Ich war nicht hundertprozentig fit. Beim Treppensteigen kam ich schnell aus der Puste. Aber währen der Pandemie ging man ja nicht so gerne zum Arzt.“ Anfang 2022 fühlt sie sich richtig krank: „Ich war total erschöpft und meine Beine sind angeschwollen.“ Typische Symptome für einen schweren Herzklappenfehler. Betroffene klagen auch oft über Atemnot und Husten, ein Engegefühl und Schmerzen in der Brust oder sie haben Ohnmachtsanfälle. Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, welche der vier Herzklappen betroffen ist.

„Kathetereingriffe sind sehr schonend. Es entsteht keine Operationswunde, damit fällt die Wundheilungszeit komplett weg.“

PD Dr. Martin Arnold

Schonender Kathetereingriff

Margot D. leidet an einer Mitralklappeninsuffizienz. Der Klappenfehler ist so schwer, dass er operativ behoben werden muss. Ein Eingriff am offenen Herz scheidet aus, das Herz ist zu geschwächt. Trotzdem kann PD Dr. Arnold der Patientin helfen – mit einem kathetergestützten Verfahren.

Bei einem Kathetereingriff muss die Ärztin oder der Arzt nicht den Brustkorb öffnen, um an das Herz zu gelangen. Stattdessen punktiert man eine Leistenvene und schiebt von dort einen Katheter, einen biegsamen Schlauch, vor zum Herzen. An der Spitze des Katheters befinden sich spezielle Instrumente, mit deren Hilfe quasi „von Innen“ operiert wird. Das geschieht unter Ultraschall- und Röntgenkontrolle, ein Monitor zeigt Bilder des Herzens. „Der Eingriff ist sehr schonend. Es entsteht keine Operationswunde, damit fällt die Wundheilungszeit komplett weg. Außerdem können wir am schlagenden Herzen und ohne Vollnarkose operieren, also ersparen wir der Lunge und dem Herz die Belastungen einer künstlichen Beatmung“, so PD Dr. Arnold.

Eine kathetergestützte Herzklappenoperation erfordert viel Expertise und Fingerspitzengefühl. PD Dr. Arnold bringt beides mit: Er operierte knapp 20 Jahre lang am Universitätsklinikum Erlangen und leitete dort als Oberarzt zuletzt das interventionelle Herzklappenprogramm und den Bereich Rhythmologie. 2022 wechselte er ans Klinikum Esslingen. Hier traf der neue Chefarzt auf eine erfahrene Mannschaft: Pro Jahr werden in Esslingen rund 70 kathetergestützte Herzklappenrekonstruktionen durchgeführt. Beteiligt sind Fachleute aus verschiedenen Bereichen. „Das Esslinger Team ist sehr gut aufgestellt: Ich habe während des Eingriffs einen Experten für Herz-Ultraschall-Bildgebung an meiner Seite, außerdem einen Anästhesisten, der auf das Herz spezialisiert ist“, so PD Dr. Arnold.

Im Frühjahr 2022 geht es für Margot D. ins Herzkatheterlabor. PD Dr. Arnold setzt ihr einen sogenannten MitraClip ein. „Der Clip rafft die Klappensegel, so dass die Mitralklappe wieder dicht schließt“, erklärt er. Nach einer Stunde ist der Eingriff vorbei. „In der Regel können die Patienten nach zwei bis drei Tagen das Krankenhaus verlassen“, so PD Dr. Arnold. Er betont aber: „Natürlich nur, wenn neben dem Klappendefekt keine weiteren schweren Begleiterkrankungen vorliegen.“ Viele Patientinnen und Patienten seien in fortgeschrittenem Alter und litten oft an mehreren Herzerkrankungen. „In solchen Fällen ist eine kompetente intensivmedizinische Betreuung nach dem Eingriff extrem wichtig. Wir haben in Esslingen eine eigene kardiologische Intensivstation. Das Personal ist routiniert im Umgang mit Herzerkrankungen und für eventuelle Komplikationen bestens gerüstet.“

 

An einem Tag rund 100.000 Mal öffnen und schließen sich die Herzklappen.

 

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Trikuspidalklappen-Rekonstruktion: Kniffliger Fall für die Kardiologie

Margot D. ist nach dem Eingriff schmerzfrei und schnell wieder auf den Beinen. Doch obwohl PD Dr. Arnold die Funktion der Mitralklappe wiederherstellen konnte, bestellt er seine Patientin ein zweites Mal ein. Während des Kathetereingriffs hat sich gezeigt, dass auch die Trikuspidalklappe undicht ist. Ein besonders kniffliger Fall für die Kardiologie – und ein Spezialgebiet von PD Dr. Arnold. Er setzt Margot D. bei einem zweiten Kathetereingriff ein sogenanntes Cardioband ein. Es umschließt den Klappenring, rafft ihn zusammen und stellt so die Dichte der Trikuspidalklappe wieder her. „Das Verfahren ist innovativ, aber auch aufwändig und komplex. Nicht alle Kliniken bieten es an“, so PD Dr Arnold.

Margot D.s Herzleistung hat sich nach der Behandlung deutlich verbessert. „Ich kann endlich wieder Treppen steigen“, freut sie sich. „War der Eingriff erfolgreich, ist das Herz wieder normal belastbar. Die Betroffenen können ein Leben ohne Einschränkungen führen – soweit nicht andere Begleiterkrankungen das verhindern“, so PD Dr. Arnold. Margot D. brachten die beiden Eingriffe einen Riesengewinn an Lebensqualität. „Es ist schön, dass ich den Sommer im Freibad und auf dem Rad genießen kann!“

"Unsere kardiologische Intensivstation ist routiniert im Umgang mit Herzerkrankungen und für eventuelle Komplikationen bestens gerüstet.“

PD Dr. Martin Arnold

Lebensgefährlich: Schwaches Herz und Rhythmusstörungen

Auch Felix Schmid genießt den Sommer: Der 46-jährige Familienvater ist auf dem Sprung in den Kroatien-Urlaub. Dass er die Reise machen kann, ist nicht selbstverständlich. Überhaupt, dass er noch am Leben ist, ist nicht selbstverständlich. „Meine Hausärztin hat richtig reagiert. Ohne sie wäre ich jetzt vielleicht tot“, sagt Schmid.

Alles begann mit einem Reizhusten. „Das zog sich ein paar Wochen hin und wurde schließlich so schlimm, dass ich nur noch im Sitzen schlafen konnte.“ Die Hausärztin hört die Lunge ab, schreibt ein EKG – und ruft sofort einen Krankenwagen. „Ich hab‘ die Welt nicht verstanden: So schlecht ging es mir doch gar nicht“, erinnert sich Felix Schmid.

Doch die Situation ist lebensbedrohlich. Felix Schmid hustet, weil er Wasser in der Lunge hat. Sein Herz ist zu schwach, um das von der Lunge kommende Blut in den Körper weiter zu pumpen. Die Folge: Flüssigkeit staut sich zurück in die Lunge. Im Klinikum Esslingen bekommt Felix Schmid Medikamente, die das Wasser aus seiner Lunge schwemmen und den Druck auf sein Herz senken. Kurzfristig ist er außer Lebensgefahr. Doch ein Langzeit-EKG zeigt: Felix Schmid hat auch eine Herzrhythmusstörung. „Herzschwäche und Rhythmusstörung gehen oft Hand in Hand“, weiß PD Dr. Arnold.

Herzrhythmusstörungen treten typischerweise in Attacken auf und können viele verschiedene Formen annehmen: Bei dem einen schlägt das Herz zu schnell, beim anderen zu langsam, beim dritten pocht es unregelmäßig und stolpert. „Viele Herzrhythmusstörungen sind harmlos. Patienten, die ein schwaches Herz haben, neigen allerdings zum gefährlichen Kammerflimmern. Eine Attacke kann innerhalb von Minuten zum Tod führen“, so PD Dr. Arnold.

Herzrhythmusstörung „Vorhofflimmern“

Anders als Kammerflimmern ist Vorhofflimmern nicht unmittelbar lebensbedrohlich. Allerdings erhöht es das Schlaganfallrisiko und birgt weitere Risiken. Welche Symptome können auf Vorhofflimmern hinweisen?

  • Unregelmäßiger Herzschlag / Puls
  • Herzstolpern oder Herzrasen
  • Schwindel, Schwitzen und Atemnot
  • Innere Unruhe, Angst
  • Abgeschlagenheit
  • Brustschmerzen
  • Erschöpfung, eingeschränkte Leistungsfähigkeit
  • 25 bis 40 von 100 Patienten mit Vorhofflimmern haben keine Beschwerden

Psychische Belastungsprobe

Felix Schmid darf nach einer Woche das Krankenhaus verlassen. Er bleibt unter enger ärztlicher Beobachtung und muss 24 Stunden am Tag eine Art Rettungsweste tragen, die ihn vor dem plötzlichen Herztod schützt. In die Weste eingebaut ist ein Defibrillator und Sensoren, die das Herz ständig überwachen. Kommt es zu einer Attacke, gibt der Defibrillator einen elektrischen Schock ab, um das Herz wieder in den richtigen Rhythmus zu bringen. „Ich sah aus wie ein James Bond mit Waffenhalfter“, sagt Felix Schmid. Im Nachhinein kann er darüber schmunzeln, doch die Zeit, in der er die Weste tragen muss, ist für ihn und seine Familie eine psychische Belastungsprobe: „Wenn die Weste auf der Haut verrutscht, wird ein Fehlalarm ausgelöst. Als Anwender hat man dann kurz Zeit, den Behandlungsvorgang abzubrechen. Insbesondere für meine Frau waren solche Fehlalarme immer ein Schreckensmoment.“

Als sich Felix Schmids Herzleistung einige Monate später immer noch nicht verbessert hat, ist klar: Sein Herz wird lebenslang einen Bodyguard benötigen. PD Dr. Arnold empfiehlt ihm einen implantierbaren Defibrillator, kurz ICD. Dieser ist etwa so groß wie eine Streichholzschachtel und wird in die Brust eingepflanzt, entweder unter den Brustmuskel oder unter die Haut. Der ICD wird mit Sonden verbunden, die über eine Vene ins Herz führen und dort im Notfall elektrische Impulse abgeben. Es gibt verschiedene ICD-Systeme, die auf unterschiedliche Störungen zugeschnitten sind. Manche kombinieren zum Beispiel Defibrillator- und Schrittmacherfunktionen.

 

Technischer Fortschritt

„Die Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt“, so PD Dr Arnold. Er und sein Team haben langjährige Erfahrung mit implantierbaren Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Jedes Jahr implantieren sie am Klinikum Esslingen rund 600 dieser Geräte. „Die Systeme agieren sehr flexibel und greifen so wenig wie möglich in den natürlichen Ablauf ein. Sie zeichnen ständig Daten zur Herzleistung und zur Gerätefunktion auf. Als Arzt kann ich diese Daten per Bluetooth abrufen - passwortgeschützt und gut gesichert. Das erleichtert die Nachsorge enorm.“

Allerdings haben herkömmliche ICD-Systeme für so junge Patienten wie Felix Schmid einen Nachteil: „Die Sonden halten bei aktiven jungen Menschen die Belastung durch ständige Bewegungen nicht auf Dauer aus. Es kann zu Defekten an der Isolation oder sogar zu Brüchen der Sonden kommen. Die Sonden am Herzen müssen dann ausgetauscht werden – und das kann riskant sein“, so PD Dr. Arnold.

Er empfiehlt Felix Schmid ein noch junges System, einen sogenannten subkutan implantierbaren Defibrillator, kurz: S-ICD. Das Gerät bietet den gleichen Schutz wie ein normaler ICD. Allerdings wird es nur unter die Haut gesetzt und hat keine Verbindung zum Herzen. „Weil das Herz unangetastet bleibt, ist ein Gerätetausch viel unkomplizierter. Außerdem wird das Komplikationsrisiko, zum Beispiel von Infektionen, reduziert“, so PD Dr. Arnold.

Kleiner Eingriff, großer Schutz

Die Implantation des S-ICD ist ein etwa einstündiger Routineeingriff. PD Dr Arnold setzt bei Felix Schmid auf der linken Brustseite unter der Achsel einen kleinen Schnitt. Dort bringt er den Impulsgeber ein. Etwas links vom Brustbein setzt er zwei weitere Schnitte und platziert eine Elektrode. Diese schließt er mit einem Kabel, das unter der Haut verläuft, an den Impulsgeber an. Er testet das S-ICD mit einem speziellen Programmiergerät und optimiert die Einstellungen. „Ich bin morgens rein ins Krankenhaus und am nächsten Tag mittags raus. Echt super“, sagt Felix Schmid.

Und wie lebt es sich mit dem Implantat? „Bei manchen Bewegungen spürt man, dass da was unter der Haut ist. Aber meistens denke ich nicht daran.“ Einschränkungen gibt es durch das Tragen des Geräts nur wenige. Zum Beispiel reagiert der Impulsgeber empfindlich auf starke elektromagnetische Felder. Wer im Beruf mit entsprechenden Maschinen arbeitet, kann diese Tätigkeit eventuell nicht mehr ausführen. „Solche Aspekte besprechen wir im Vorfeld ganz genau mit unseren Patientinnen und Patienten “, so PD Dr Arnold.

 

Rückkehr zur Normalität

Felix Schmid ist froh, dass der ICD ihm eine Rückkehr zur Normalität ermöglicht. Er arbeitet wieder in seinem Job als Industriemechaniker und darf sogar wieder Motorradfahren. Alle drei Monate geht er ins Klinikum Esslingen zur Nachsorge. Dabei wird sowohl die Funktion seines Herzens wie auch die des Defibrillators überprüft.

Ausgelöst hat das ICD bei ihm bisher nicht. Fürchtet er sich vor dem Moment, wenn es doch passiert? „Nein. Ich weiß ja, dass ich mit dem ICD sicher bin.“ Er möchte anderen Betroffenen Mut machen: „Ein ICD ist kein Grund, Angst zu haben. Mir hat Dr. Arnold mit seiner ruhigen Art sehr geholfen. Er hat sich immer super gekümmert und alles gut verständlich erklärt. So ist erst gar keine Panik aufgekommen.“

 

Neueste Entwicklungen nutzen

Margot D. und Felix Schmid können trotz schwerer Herzerkrankung gut weiterleben. Dem medizinischen Fortschritt sei Dank. PD Dr. Arnold betont: „Wir versorgen hier am Klinikum Esslingen das gesamte Spektrum kardiologischer Erkrankungen. Dabei bringen wir viel Erfahrung ein und eignen uns fortlaufend neue Entwicklungen an. Von Herzrhythmusstörungen über Klappendefekt bis Herzinfarkt: Unsere Patientinnen und Patienten profitieren in allen Bereichen von modernsten Verfahren und Konzepten."

Klinikum Esslingen
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Privatdozent Dr. Martin Arnold, MHBA Chefarzt
Telefon 0711 3103-2401
m.arnold@klinikum-esslingen.de

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